Vergesellschaftung – ein Reizwort in der Terraristik

Vergesellschaftung – ein Reizwort in der Terraristik 

Im Allgemeinen ist es so, dass eine geplante oder schon durchgeführte Vergesellschaftung auf Pro und Kontra stößt. In diesem Beitrag möchte ich viele Facetten listen. Dies wird hauptsächlich am Beispiel von Iguana iguana mit Physignathus concincinus geschehen.

 

Prinzipiell:

  • Eine Vergesellschaftung unterschiedlicher Tierarten, welche die gleichen Ansprüche an die Terrarienhaltung stellen, und möglichst aus demselben Biotop stammen, macht nur in einem ausreichend großen Terrarium Sinn.
  • Dieser Grundsatz ist plausibel, nur was ist ausreichend groß? Dies ist im Sinne des Betrachters oder nach gewissen Grundlagen festgelegt. Zu groß kann es selten für eine Spezies sein. Zu klein wird es hingegen schnell für 2 verschiedene Arten.
  • Jede Art sollte in einem Terrarium ihre ganz bestimmte Nische finden. Das beinhaltet ausreichend Sonnenplätze und microklimatisch passende Bereiche.
  • Die Arten dürfen zueinander nicht in einem Jäger-Beute-Verhältnis stehen!
  • Man sollte die Arten schon lange einzeln gepflegt haben, ihre Eigenheiten kennen, um so beurteilen zu können, ob sie sich in einem Gesellschaftsterrarium womöglich anders verhalten.
  • Sie müssen, falls notwendig, sofort wieder getrennt werden, d.h. es sollte jederzeit ein artgerechtes Ausweichterrarium zur Verfügung stehen. Es ist jedoch wenig zweckmäßig, dass man ein Terrarium unbesetzt laufen lässt, nur um notfalls die Arten zu trennen.

Können Iguana iguana und Physignathus concincinus zusammen leben?

Zitate aus Literatur und Internet:

Zitat Vergesellschaftung der Wasseragame mit Grünen Leguan: http://www.wasseragame.de/Wasseragamen-verhalten.html hier ein klares Nein, das Risiko in unseren heimischen relativ kleinen Terrarien ist zu groß

 

Gründe die gegen eine Vergesellschaftung sprechen:

  • evtl. unterschiedliche klimatische Haltungsbedingungen
  • evtl. unterschiedliche Körpergröße gegenüber dem anderen Tier, es könnte als Futtertier fungieren oder sie könnten sich untereinander beißen und schwerwiegende körperliche Schädigungen zuziehen
  • Dauerstress auf engstem Raum mit einer anderen Tierart, dieser Stress kann sich nicht äußerlich bemerkbar machen, sondern das Tier baut seine Immunität ab und kann dadurch schnell erkranken - > bei Nichterkennen kann plötzlich ein Tier zu Tode kommen.

Köhler (2001) lehnt mit einer klaren Bemerkung auf Seite 15 diese Vergesellschaftung ab.

Zitat Grundsätzlich sollte man darauf achten, dass man keine gegensätzlichen Ökotypen oder gar Beutetiere (z. B. kleine Echsen) auswählt.

 

Schardt, Werning & Mutschmann (2009) schreiben im Buch Grüne Leguane auf Seite 152, was ich kurz mit eigenen Worten wieder gebe:

Zitat Die Autoren lehnen zunächst eine Vergesellschaftung generell ab. Weiter führen sie aus, dass es in Einzelfällen schon zu positiven Vergesellschaftungen kam. Das Terrarium für eine Art, hier im Fall der Iguana, sollte enorm groß sein. Will man vergesellschaften, muss für die 2. Art deutlich mehr veranschlagt werden. Hier fehlen aber Hinweise, was enorm groß ist und was für eine 2. Art zusätzlich angeboten werden sollte.

Es wird darauf verwiesen, dass es immer wieder zu Auseinandersetzungen kommen kann und darum unerfahrene Halter gewarnt werden.

Im Fall einer Vergesellschaftung mit einer Wasseragame wird die P. lesueurii erwähnt, nicht Physignathus cocincinus.

Werning (2002) erwähnt, dass eine Haltung der Physignathus concincinus mit Iguana iguana oder Basiliscus gelingen kann.

Der Autor führt Punkte an, die dagegen sprechen können. Da wäre ein aggressives Verhalten der Physignathus concincinus untereinander, wie auch zu anderen Arten zu nennen. Wasseragamen sind Räuber, die weder vor kleineren Tieren der eigenen Art noch anderen kleinen Echsen zurück schrecken.

 

Da im Buch Basilisken erwähnt werden, hier die Erfahrungen von Kai (@)blacky64:

Zitat „Meine Iguana iguana haben sich damals sehr wohl um jegliches Futtertier der Basilisken gekümmert. Sie haben die Basilisken regelrecht verjagt, wenn es Heuschrecken gab. Es wurde so arg, dass sie sich beim Füttern zurückgezogen haben, bis die Grünen fertig waren. Auch einer der Gründe warum ich sie getrennt habe.“

 

Argumente gegen eine Vergesellschaftung von Iguana iguana mit Physignathus concincinus

Verbreitung und Klima:

Die Herkunft beider Arten trennt ein Kontinent, damit auch unterschiedliche klimatische Ansprüche.

Physignathus concincinus

sind in den asiatischen Tropen beheimatet. Das dort vorherrschende subtropische Ostseitenklima wird von der außertropischen Monsunzirkulation beeinflusst. Da die Windrichtung im Laufe des Jahres 2 x dreht, gibt es im Winter den Nord-West- und im Sommer den Süd-Ost-Monsun. Dieses Monsun-Windsystem und die jahreszeitlichen Niederschläge bestimmen das Klima. Im Sommerhalbjahr kommt es zu starken Niederschlägen, denen im „Winter“ eine ausgedehnte Trockenzeit folgt. Die Temperaturen im Verbreitungsgebiet können als ausgeglichen beschrieben werden, außer im Bereich Süd-China, wo es zusätzlich noch zu jahreszeitlichen Temperaturschwankungen kommt.
Nach Ziegler (2002) leben Wasseragamen im Tieflandfeuchtwald. Manthey/Großmann (1997) beschreiben das Biotop als tropischen immergrünen Tieflandregenwald.

Iguana iguana

haben eine Vielzahl Biotope und Habitate. Wald ist wohl eine Grundlage und Wasser sollte gleichfalls vorhanden sein. Tropisches Klima mit kräftigen Sonneneinstrahlungen ist vorherrschend. Nach Schardt/Mutschmann/Werning (2009) ist das Verbreitungsgebiet der Grünen Leguane das tropische Tiefland mit feuchtwarmen bis halbfeuchten Gebieten. Die jahreszeitlichen Schwankungen betreffen nicht extreme Temperaturgefälle, sondern der Wechsel von Regen- und Trockenzeit. Zu Beginn der Trockenzeit vergraben die Weibchen ihr Gelege, woraus zum Beginn der Regenzeit die Jungtiere schlüpfen (Köhler 2000). Da Iguana iguana in der Regel Papiere ihres Herkunftsgebietes haben, sollte man sich da ein wenig an die Klimadiagramme vom erwähnten Buch (Seite 74/75) halten.

Fazit:

beide Arten trennen Temperaturen und Sonnenintensität des jeweiligen Herkunftsgebietes. Die jeweiligen Regen- und Trockenzeiten können gleichfalls Unterschiede aufweisen.

 

Nahrungsspektrum:

  • Iguana iguana sollten im Terrarium ausschließlich nur mit Kräutern ernährt werden. Man sollte strikt darauf achten, dass die Tiere keine Insekten oder Säuger angeboten bekommen. Es ist nicht ausgeschlossen, und auch schon beschrieben, dass die Tiere sich gierig auf Insekten stürzen, die der Wasseragame gereicht werden. Bleibt das anhaltend, führt es zur Gicht und damit schnell zu schweren Schäden, bis hin zum Tod.
  • Physignathus concincinus ist ein Ansitzjäger. Dieses ihnen eigenes Verhalten sollte auch im Terrarium beachtet werden. Man füttert also weitestgehend nicht per Pinzette, sondern lässt das Tier seine Nahrung erbeuten. In diesem Zusammenhang möchte ich auf interessante Artikel bezüglich Stress durch handling verweisen: Bartagamen "handling"
  • http://www.rogermeekherpetology.com/PDFs…ation%20HND.pdf
  • http://rogermeekherpetology.com/PDFs/45_…dling%20HND.pdf
  • Ziegler (2002) zeigt auf Seite 185 in einer kleinen Tabelle den prozentualen pflanzlichen Nahrungsanteil in Abhängigkeit der Größe.

 

Gemeinsamkeiten oder Gegensätze in der Terrarienhaltung

Physignathus concincinus

benötigen eine durchschnittliche Temperatur von 25°C am Tag und im Jahresverlauf. Am Tag können punktuell Werte zwischen 30 und 40 °C angeboten werden, in der Nacht können die Temperaturen ca . 5 – 8 °C abfallen. Die Luftfeuchtigkeit liegt im Tagesverlauf zwischen 50 und 90 %. Die Monate Mai bis Oktober werden durch den Monsun mit starken Regenfällen geprägt, während von November bis April eine Trockenzeit das Klima bestimmt.
Diese Trockenzeit wird laut meiner Ermittlungen nur selten im Terrarium angestrebt, da die Wasseragamen auch ohne diese zur Vermehrung gebracht werden können.


Physignathus concincinus

benötigen dicht bewachsene Terrarien, neigen vom Verhalten nicht zu Sonnenanbeter. Eine UV-Beleuchtung sollte angeboten werden. Ein Wasserbecken ist Pflicht im Terrarium. Dies wird zur Flucht, Körperpflege und zum Koten aufgesucht. Die meiste Nahrung wird aktiv gejagt. Vegetarische Kost wird bereit gestellt.

 

Iguana iguana 

im Terrarium sind am Tag vier verschiedene Temperaturzonen anzustreben. Im unteren Bereich liegen die Temperaturen zwischen 25 - 28°C, im mittleren Bereich zwischen 30 - 33°C und im oberen Bereich kann sie über 35°C angeboten werden. Ein Sonnenplatz sollte zwischen 42 - 45°C betragen. Diese hohen Temperaturen verhelfen Iguana iguana ihre benötigte Körpertemperatur von 37°C aufrecht zu halten. Die Nachttemperaturen dürfen nicht unter 22°C abfallen, sollten ca. 24°C betragen. Wichtig ist eine Luftfeuchte zwischen 60 und 80 %. Eine Trockenzeit ist zu gewährleisten.
Im Gegensatz zu den Wasseragamen ist bei den Grünen Leguanen diese Trockenzeit für ihre Fortpflanzungsperiode sehr wichtig.


Iguana iguana

benötigt kein dicht bewachsenes Terrarium. Es müssen ausreichend Sonnenplätze gemäß ihrer Größe angeboten werden. Keinesfalls genügt nur punktuell ein einzelner Strahler. Da diese Spezies hoch in die Baumwipfel strebt, sollte auch im Terrarium mittels Vitalux 300 Watt UV-Beleuchtung von 3 - 8 Stunden täglich im Angebot sein. Ein Wasserbecken ist Pflicht im Terrarium. Dies wird zur Flucht, Körperpflege und zum Koten aufgesucht.

 

Fazit:

die Temperaturen und Lichtintensität sollte aufzeigen, dass beide Arten nicht in einem gemeinsamen Terrarium gehalten werden können. Die Tatsache, dass eine Art einen dichteren Pflanzenwuchs bevorzugt, wogegen die andere Art diesen komplett zerstört, ist ein weiteres Argument und schließlich ist das gemeinsame Wasserbecken Anlass für einen nächsten Punkt.

 

Erhöhter Keimdruck in einem Terrarium mit mehreren Arten

  1. beide Arten, sowohl Iguana iguana als auch Physignathus concincinus benötigen je ein sehr großes Terrarium. Wie groß sollte man es für beide veranschlagen, damit jede Art ihre Bedingungen vorfinden und das biologische Gleichgewicht gewahrt bleibt? Diese Frage konnte kein Autor beantworten.
  2. das große Wasserbecken wird von beiden Arten für unterschiedliche Zwecke genutzt.
  • Physignathus concincinus flüchtet ins Wasser, pflegt sich aber auch dort nach der Nahrungsaufnahme. Natürlich wird dort Kot abgesetzt.
  • Iguana iguana flüchtet gleichfalls ins Wasser, ruht aber auch weit oben auf einem Baumstamm und kotet gezielt ins Wasser. In beiden Fällen wäre dies fatal für die Wasseragame.
  • Ein wichtiger Punkt ist das jeweilige Verbreitungsgebiet, also die getrennten Kontinente: An dieser Stelle möchte ich ein Zitat aus einem Schriftwechsel einfügen:

Zitat Thomas Klesius:

„grundsätzlich kommt Physignathus concincinus in Südostasien vor und Iguana iguana in der Neuen Welt (Mittelamerika). Ich persönlich würde grundsätzlich keine Arten aus verschiedenen (Welt-)Regionen miteinander vergesellschaften, da z. B. auch wenig über spezifische Darmflora etc. bekannt ist. Zwei getrennte Becken sind da immer die bessere Wahl.“

 

Innerartliche Aktivitäten und Sozialverhalten

Iguana iguana gelten als Gruppentiere und sollten im Terrarium jeweils mit einem Männchen und 1 - 3 Weibchen vergesellschaftet werden. Männchen allein verkümmern, Weibchen ohne Gruppe tendieren zu Legenot. Es kann in dieser Gruppe immer mal wieder zu Dominanzverhalten kommen. Zur Paarungszeit kann ein Männchen besonders aggressiv sein. Aber auch die Weibchen legen hin und wieder Rangordnungen neu fest. Zur Eiablage und einige Zeit danach neigen die Weibchen zu Aggressionen auch gegenüber dem Terrarianer. Weibchen können sich zur Eiablage beunruhigt fühlen, was eine Legenot verursachen kann. Die Größe der Tiere, ihre scharfen Krallen, starken Kiefer und möglichen Abwehrreaktionen mittels Schwanz sollten zu keiner Zeit unterschätzt werden.


Physignathus concincinus gelten gleichfalls als Gruppentiere, die mit einem Männchen und 1- 3 Weibchen vergesellschaftet werden. Die Männchen gelten gleichfalls als aggressiv. Weibchen legen Rangordnungen fest und fechten mitunter Kämpfe aus. Hier ist besonderes Fingerspitzengefühl und Glück erforderlich, bis der Terrarianer eine harmonierende Gruppe sein Eigen nennen darf.

 

Persönliche Anmerkung:

Ich stellte die Frage, ob evtl. schon bekannte Unterschiede innerhalb der monotypischen Gattung bekannt sind, da deren Verbreitungsgebiet sich doch über mehrere Länder erstreckt. Da sehr viele Terrarianer von einer Unverträglichkeit berichten, liegt für mich die Vermutung nahe, dass sich womöglich je nach Herkunft diese Tiere artspezifisch verhalten?

 

Literatur:

Köhler, G. (2000): Reptilien und Amphibien Mittelamerikas, Bd 1: Krokodile, Schildkröten, Echsen. Herpeton Verlag, Offenbach, 158 pp.

Köhler, G. (2001): Der Grüne Leguan im Terrarium. Herpeton Verlag, Offenbach, 80 pp.

Lehr, E. (2002): Amphibien und Reptilien in Peru. Natur und Tier-Verlag (Münster), 208 pp.

Manthey, U. & Grossmann, W. (1997): Amphibien & Reptilien Südostasiens. Natur und Tier Verlag (Münster), 512 pp.

Manthey, U. (2010): Agamen des südlichen Asiens. Dracononae 2. Leiolepidinae. – Frankfunrt/M (Ed. Chimaira), 168 pp.

Schardt, M.; Mutschmann, F. & Werning, H. (2009): Grüne Leguane, 2. Aufl. Natur und Tier Verlag (Münster), 312 pp.

Ullrich, K. (1979): Beobachtungen an asiatischen Wasseragamen (Physignathus cocincinus). Herpetofauna 1 (2): 15-17

Werning, H. (2002): Wasseragamen und Segelechsen. Natur und Tier Verlag (Münster), 127 pp. in Sauria 26 (4): 17]

Werning, H. (2004): Bibliographie der Gattungen Physignathus, Lophognathus und Hydrosaurus. Iguana Rundschreiben 17 (2): 18-31

Ziegler, T. (2002): Die Amphibien und Reptilien eines Tieflandfeuchtwald-Schutzgebietes in Vietnam. Natur und Tier Verlag (Münster), 342 pp.